Nass und Kalt im Mai 2021
Alles fing an mit einem Sturz. Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, rutschte ich auf der Treppe aus und polterte mehrere Stufen auf Hüfte und Hintern runter bis ich mit dem Fuß an der Wand bremsen konnte. Rechter Fuß, zweiter Fußzeh und höllische Schmerzen. Sofort gekühlt aber man konnte schon erkennen: Bluterguss. Zum Glück konnte ich ihn noch bewegen, so dass scheinbar nur etwas verstaucht war. Und das eine Woche vor dem Wings for Live World Run. Mit diesem Start in den Monat konnte das alles ja nur gut werden. Doch bevor ich am Muttertag laufen konnte, bekamen wir Nachwuchs. Drei Wochen hatten wir uns sorgsam um die erst zwölf, dann später zehn Eier in der Brutmaschine gekümmert. Temperatur überwacht, Luftfeuchtigkeit beobachtet, gelüftet und gut zugeredet. Und am 4. Mai 2021 war es dann soweit. Zwar einen Tag früher als errechnet aber zu früh können wir in der Familie ja. Die Ungeduld eben. Und es schlüpften alle. Gegen Abend purzelten zehn kleine teils noch klebrige Flauschebällchen in dem warmen, tropischen Klima des Kastens rum. Und kurz bevor wir dann zu Bett gingen, konnten wir auch alle schon unter die Wärmeplatte im kleinen Stall setzen, so dass sie am nächsten Morgen Zugang zu Futter und Wasser hatten. Die Freude bei den Kindern und auch bei den Erwachsenen war riesengroß! Sofort wurde über Namen nachgedacht. Fluttershy, Applejack, Rainbowdash, Twilight Sparkle. Nun, man kann erahnen welche Serie gerade voll in ist bei uns.
Nach dem wir also Mama wurden, war dann auch Zeit für den Muttertag. Morgens überraschten wir die Mama mit vielen selbst gebastelten Dingen, einem Do-it-Yourself Ausmalbild und einem sehr harmonischen Frühstück. Einen gemütlichen Vormittag zusammen mit viel Zeit für Mama und Kinder und nach dem Mittagessen ging es um 13:00 Uhr dann auf die Straße. Für einen internationalen Lauf kann man leider keine Rücksicht nehmen auf Feiertage und so trabte ich gemütlich los mit meinem gelb leuchtenden Trikot. Im Team meines Arbeitskollegen, der vor einigen Jahren durch einen Motorradunfall in den Rollstuhl kam, wollte ich schon ein paar Kilometer machen. Auch wenn mein Training eher gar nicht auf den Lauf ausgerichtet war – ich erinnere an den Bluterguss am Fußzeh und zusätzlich das Streakrunning, welches ich seit Dezember aufrecht halten konnte – sollten es rechnerisch rund 25 Kilometer werden. Noch dazu kam das Wetter. Normalerweise freue ich mich über Sonne. Wenn dies aber der erste sehr warme Tag mit strahlendem Sonnenschein im Jahr ist, dann tut das beim Laufen schon weh. Aber Schmerz ist gut für den Kopf und lenkt ab. Ich hatte mich für eine rund 5 Kilometer kurze Runde entschieden, die immer wieder bei uns am Grundstück vorbei führte und manchmal winkte man mir auch zu. Die restliche Familie hatte sich ja gegen 14:30 Uhr zu Kaffee und Kuchen verabredet. Dass ich diesen Termin nicht schaffen würde, war klar. Aber die Temperatur macht mir echt zu schaffen. Aber nicht nur mir. Unterwegs begegnete mir Alexandra, die auch mit dem Wetter strauchelte aber ebenso wie ich nicht auf die Distanz des Vorjahres kam. Bei mir waren es am Ende dann 27 Kilometer und im Team Platz eins. Für nächstes Jahr habe ich mich gleich wieder angemeldet. Der App Run macht Laune und ist irgendwie genau mein Ding, alleine lange Laufen. Zur Belohnung gab es dann Kuchen. Ein paar Reste hatte man mir ja übrig gelassen.
Ein paar Tage später war dann Vatertag. Der Tag an dem meine Familie flüchtete. Naja nicht ganz so schlimm. Durch den gesunkenen Inzidenz und die Möglichkeiten die Eltern nach etwas über einem Jahr mal wieder zu besuchen, fuhr Martina mit den Kindern das verlängerte Wochenende nach Wolnzach zu Oma Eva, Opa Erich und Godi Monika mit Marcus. Die Kinder freuten sich riesig und ich hatte zu Hause jede Menge Zeit wilde Dinge zu tun. Wie immer wenn die Familie aus dem Haus ist, durfte ich den Esstisch ölen. Das riecht zwei Tage etwas streng und man kann ihn nicht wirklich nutzen, deswegen ist es besser, wenn sonst keiner zu Hause ist. Und außerdem hatte ich so auch Zeit mich um mich selbst zu kümmern, denn am 12. Mai bekam ich meine erste COVID-19 Impfung mit Astra Zeneca. Das war recht spontan. Nachdem ich vom Impfzentrum des Landes und dem Hausarzt bei dem ich auch auf der Liste war, nichts gehört hatte, bekam ich den Tipp mal beim Kinderarzt anzurufen. Dienstag angerufen und für Mittwoch einen Termin bekommen. Das war der einfachste Teil. Rund 30 Stunden nach der Impfung fingen die ersten Symptome: Kopf- und Gliederschmerzen, knapp 39° Fieber, Erschöpft und irgendwie kaputt. Zum Glück konnte ich mich über Nacht gut regenerieren und am nächsten Morgen war die Temperatur runter auf 37°. Bis zum Nachmittag sank sie dann um ein weiteres Grad und ich machte mich auf für einen sehr kurzen, sehr langsamen Lauf, um mal zu checken wie das gegen den Blues im Kopf hilft. Außerdem war ja Brückentag an dem ich nur morgens arbeitete. Die nächsten Tage waren dann immer noch mit etwas Mattheit und leichten Schmerzen an der Impfstelle begleitet. Aber ich bin froh, endlich den ersten Stempel im Pass zu haben. Währenddessen hatte man im fernen Bayern aber jede Menge Spaß. Viele Wanderungen und Abenteuer auf Barfußpfaden. Alle waren glücklich sich endlich mal wieder gesehen zu haben. Und dann war das Wochenende auch schon wieder vorbei und ich konnte in meine lange Arbeitswoche starten. Es war mal wieder PIP-Zeit. Diesmal von Montag bis Freitag und jeden Tag volle Stunden. Das Laufen habe ich in der Woche auf Morgens verschoben, denn während der Arbeitssitzungen ist keine Zeit und wenn man bis Abends dann vor dem Rechner sitzt, ist es einfach toll schon mit einem #earlybird nüchtern in den Tag gestartet zu sein. Glücklicherweise folgte darauf das Pfingstwochenende und es war etwas mehr Zeit für Familie, die wir gut nutzten für Radtouren und kleine Wanderungen im Gernsheimer Wald. Dort haben wir auf einer neuen Route etwas ganz besonderes gesehen. Bestimmt einhundert Meter und mehr ist sie lang und mündet in einen riesigen wuselnden Haufen. Eine Ameisenstraße, eigentlich schon fast eher eine Autobahn. Zehn und noch mehr Spuren mit recht großen Waldameisen transportieren Hölzer, Tiere und andere für den Bau nützliche Dinge. Der Hügel hat gut zwei Meter Durchmesser und nach oben bestimmt 50 bis 60 Zentimeter sichtbar. Wie tief er in die Erde geht lässt sich nur erahnen. Das war Mega spannend.
Das PIP haben wir auch wieder zum Anlass genommen, dass die Kinder wieder in den Kindergarten gehen. Die Wochen zuvor haben wir ja mit #HomeOfficeWithTwins und arbeitsfreien Tagen selbst übernommen. Vom Kindergarten gab es ja nach wie vor leider keine Unterstützung. Nach wie vor war es so, dass es zwar toll ist, wenn wir zu Hause die ganze Arbeit übernehmen und weiter den vollen Beitrag für Frühstück und Mittagessen zahlen – glücklicherweise gibt es ja bei uns keinen Beitrag für die Betreuung, da wir diese über unsere (Kirchen-)Steuern zahlen. Aber dass es von der Einrichtung mal Anregungen oder Material gibt, um die Kinder mit adäquaten Mitteln zu betreuen, Fehlanzeige. Nein, stimmt nicht. Zum Muttertag wurden uns zwei Ausmalbilder gebracht, danke dafür. Auf jeden Fall durften sie in der 20. Kalenderwoche wieder gehen und es war schwer. Unsere Tochter hatte enorme Probleme wieder in den Kindergartenalltag zu kommen. Von unguten Gefühlen im Bauch und ganz vielen Tränen beim Abgeben sowie Morgens und Abends gemecker und gejammer war alles drin. Das schlimme war, dass sie es gar nicht artikulieren konnte, warum es so war. Vermutlich hat ihr die selbst bestimmte und selbst organisierte Zeit zu Hause so gut gefallen, dass sie nicht in den durchgetakteten Alltag im Kindergarten zurück wollte. Gut war dabei zum einen, dass ihr Bruder keine Probleme hatte und mit Freude dabei war endlich wieder mit seinen Freunden zu spielen und zu toben. Zum anderen war es aber auch so, dass das Drama mit Tränen nur so lange anhielt wie wir dabei waren. Sobald wir weg und sie mit den Freundinnen und Erzieherinnen alleine war, war alles wieder in Ordnung. Und beim abholen war es meist auch so, dass wir dann so im Spiel vertieft waren und uns Eltern gar nicht bemerkten. Reine Kopfsache also und die vielen Gedanken im Vorfeld. Aber die Gedanken haben wir doch alle irgendwie. Manche lernen mit zunehmen Alter besser damit umzugehen, aber der Wirrwarr im Bauch und Schädel bleibt. Für mich ist das Laufen ein Instrument der Kanalisierung. Zeit die Gedanken zu sortieren, strukturieren und unnötigen Ballast abzuwerfen. Auch im Mai habe ich wieder jede Menge Zeit auf Feld, Rad und Waldwegen verbracht. Insgesamt siebenundzwanzig Stunden und dreißig Minuten war ich unterwegs, um die knapp 330 Kilometer zu laufen und rund 16.000 Kilokalorien zu verbrauchen. Im Schnitt also etwas mehr als zehn Kilometer am Tag. Das ist gut und wenn es bei dem Schmuddelwetter im Mai funktioniert hat, warum sollte es dann im Juni nicht auch weiter gehen? Und selbst der blaue Fußzeh und die COVID-19 Impfung konnte mich nicht so richtig aufhalten. Hoffen wir auf das Beste. Ich freue mich jedenfalls, wenn ich die Wettervorhersage für die nächsten Wochen so anschaue.
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