NABU versus Nahversorgung in Hähnlein
Lieber NABU Seeheim-Jugenheim,
bezugnehmend auf ihren Artikel „Noch ein Supermarkt auf der grünen Wiese?“ möchte ich ihnen gerne ein paar Punkte geraderücken, die sie anführen. Als langjähriges Mitglied des NABU mit einer recht ordentlichen finanziellen Unterstützung der Projekte hier im Umkreis finde ich es wichtig, dass sie sich auch kritisch äußern. Dies sollte allerdings objektiv erfolgen. Dies ist in ihrem Beitrag leider nicht der Fall.
„Ein ausgedienter Getreidespeicher steht auf einem kleinen Teil des geplanten neuen Netto-Supermarktareals an der Quelllache„. Diese Aussage ist falsch. Leider sind die Bilder, die sie zur Untermalung aufgenommen haben, verfälschend. Fakt ist, dass die Bauernkirche wie sie hier in der Gegend genannt wird und die bereits versiegelte Fläche einen Großteil dessen ausmachen, was für den Markt benötigt wird. In den Luftbildern ist dies auch sehr gut zu sehen. Fakt ist auch, dass die Siloanlage leer steht und nicht mehr genutzt wird.
„Wertvolles Ackerland geht verloren: die Fläche im Vordergrund würde mit einem großen Parkplatz versiegelt.“ Auch hier haben sie wieder ein wunderschönes Foto mit einer verfälschenden Perspektive verwendet. Fakt ist, dass es links des Fotos bereits eine große versiegelte Fläche gibt, die wiederverwendet werden würde. Auch im Gesamten ist die Fläche des Ackerlandes im Verhältnis zu bereits seit Jahrzehnten bebauten Fläche nur ein Bruchteil. Sie sprechen von „Sünden der Vergangenheit„. Vielleicht wissen sie nicht, für was die Siloanlage genutzt wurde. Gerne möchte ich sie hier aufklären, da ich viele Jahre dort verbracht habe. Mit dieser Anlage wurde das Getreide der regional anliefernden Landwirte gesammelt, gereinigt und zentral ausgeliefert. Dadurch wurden große Fahrstrecken mit Traktoren vermieden, die jetzt alle einzeln bis Groß-Gerau fahren müssen. Ich bin der Meinung, dass über die Jahre der Nutzung ein großer Teil für Nachhaltigkeit und Regionalität getan wurde.
„Ganz und gar unnötig wird neuer Verkehr erzeugt, denn der geplante Einkaufsmarkt ist per Design nur für Autofahrer interessant.“ Diese Aussage halte ich schlichtweg für falsch. Warum? Ein Markt, der näher an Hähnlein (Sandwiese und Rodau) gelegen ist, einen perfekt ausgebauten Rad- und Fußgängerweg hat, die Möglichkeit einer Bushaltestelle auf einer bestehenden Strecke bieten würde, ist für viele Hähnleiner eher ein Anreiz auf das Auto zu verzichten. Für die meisten sind es 500 bis maximal 1000 Meter ohne Brücken. Und selbst wenn man mit dem Auto fahren würde, so spart man sich 6 Kilometer Wegstrecke (Hin- und Rückweg) inklusive 4 Ampelstopps.
„Gleichzeitig werden den geplanten alternativen Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte von Hähnlein bleibend die Kunden und damit die Rentabilität entzogen.“ Falsch! In der Ortsmitte ist keine alternative Einkaufsmöglichkeit geplant. In der Ortsmitte ist nicht genug Platz, um einen Markt in der Größe zu errichten, der ein ausreichendes Sortiment bietet, so dass er für eine Vollversorgung funktionieren würde. Weiterhin möchte keiner den LKW-Verkehr in der Ortsmitte, der notwendig wäre, um einen Markt zu beliefern. Und bei ihrem Argument zu bleiben, müsste statt des „grünen Konzeptes“ Marktplatz Verschönerung massiv Platz für Parkplätze in der Ortsmitte geschaffen werden. Und es würden bestehende und etablierte soziale Einrichtungen ihrer Räume beraubt.
Und ja, auch ich hätte es vermutlich gerne anders. In der Ortsmitte integriert viele großartige kleine inhabergeführte Ladengeschäfte, die zu günstigen Preisen alles anbieten, was ich für meinen täglichen Bedarf benötige. Eine Unverpackt-Laden, diverse Bio-Läden mit unterschiedlichsten Angeboten aber bitte nicht zu teuer, ich will ja vergleichen und natürlich sollen die auch alle von 6 bis 22 Uhr an mindestens 6 Tagen die Woche offen haben. Schließlich muss es auch jedem Arbeitnehmer, Rentner und Schüler gerecht werden. Aber seien wir ehrlich, diese aufgeführten Alternativen sind ein Wunschdenken in einer Traumwelt. Und wenn wir nicht nur einzelne Punkte betrachten, sondern das große ganze, dann wird man erkennen, dass es keine wirkliche Alternative gibt und man auch einfach mal zugreifen muss, wenn sich eine Chance bietet.
Gerne stehe ich ihnen für eine objektive Diskussion zur Verfügung, scheinbar sind ihre bisherigen Quellen in dieser Hinsicht nicht ausreichend.
3 Kommentare
Daniela Vogel · 6. Dezember 2020 um 10:42
Gut geschrieben und sicherlich sehen das viele Hähnleiner so. Abgesehen von der Entfernung zur Ortsmitte ist dieser Bereich neben den genannten Gründen auch daher geeignet, weil schon jetzt dort regelmäßig LKW/PKW parken und im Frühjahr/Sommer ohnehin ein gewisses Verkehraufkommen herrscht wegen des Spargelstands und des Blumenverkaufs.
Tino Westphal · 13. Januar 2021 um 08:30
Hallo Oliver Nickel,
ich freue mich über Ihre sachliche Kritik am Artikel und werde ihn gern unter dem Artikel https://nabu-seeheim.de/noch-ein-supermarkt-auf-der-gruenen-wiese/ im NABU-Blog einblenden als Kommentar.
Als Antwort hier mein persönlicher Kommentar zu Ihrer Kritik:
Kritikpunkt Bildperspektive: ja, die liegt im wahrsten Sinn des Wortes „im Auge des Betrachters“. Sogar wenn ich dasselbe Foto ansehe, wie Sie. Der eine sieht noch Reste einer einst schönen Naturlandschaft, der andere eine öde Strasse und bestehende Versiegelung. Ich kann beiden Perspektiven durchaus folgen. Aber was ich nicht kann, das ist die Ableitung: Das sieht ja furchtbar aus, lass es uns deshalb mit einem Netto-Markt plus Parkplatz zubauen- macht ja auch nichts mehr schlimmer. Denn das hat mit Bildästhetik wenig zu tun, aber viel mit rationalen Erwägungen zum Klimaschutz, Umweltschutz und konkretem Naturschutz an dieser Stelle.
Sünden der Vergangenheit: Ich bin immer wieder erstaunt, dass die schon vorhandene Zersiedlung und Umweltzerstörung ernsthaft als Argument benutzt wird, um weitere Umweltzerstörung zu rechtfertigen. Mit Sünden der Vergangenheit meinen die NABUs die Zersiedlung im Gebiet der Quelllache, das schliesst die Bauernkirche ein aber eben auch die Feuerwehr- eine fatale Fehlentscheidung jüngeren Datums.
Dass die Bauernkirche irgendwann mal einen Nutzen hatte, halte ich in diesem Zusammenhang für wenig relevant: sie ist heute Teil der vorhandenen Versiegelung und damit ohne Zweifel Teil des Problems.
„Ganz und gar unnötig wird neuer Verkehr erzeugt, denn der geplante Einkaufsmarkt ist per Design nur für Autofahrer interessant.“ – Diese Aussage können Sie sogar innerorts jederzeit verifizieren. Ich wohne zufällig sehr nahe an einem bestehenden Netto-Markt. Netto-Märkte sind um Parkplätze herum gebaut und per Design auf den Hauptnutzer Autofahrer ausgerichtet. Es wäre wirklich weltfremd anzunehmen, das das bei einem Supermarkt ausserhalb der Ortschaft anders wäre.
„In der Ortsmitte ist keine alternative Einkaufsmöglichkeit geplant.“ – Das ist korrekt erkannt und exakt der Kern der Kritik! Ich persönlich geniesse das Privileg, in einem Ortsteil mit funktionierender Nahversorgung zu leben und brauche deshalb schlicht kein Auto, um mich mit den Waren des täglichen Bedarfs zu versorgen. Das würde ich mir für Hähnlein und Sandwiese ebenso wünschen.
Eine Beobachtung: wenn Menschen ein eigenes Auto besitzen und täglich nutzen (müssen), dann entwickelt das ein merkwürdiges Eigenleben im Denken; wird quasi als zwingend notwendige Voraussetzung für jede Entwicklung angesehen. Auto-zentriertes Denken kann sehr persönlich sein, sich davon zu lösen, das fällt schwer. Es ist aber notwendig, wenn man über Mobilitätskonzepte der Zukunft nachdenkt. Wunschdenken, Traumwelten? Das klingt, als würden wir über vollkommen abwegige Illusionen reden, nicht aber über ein Konzept für einen Einkaufsmarkt, für die es weiss Gott erfolgreiche Beispiele in der Umsetzung gibt. Natürlich sind auch die mit Mühen verbunden- da mache ich mir keine Illusionen. Demokratie ist ein anstrengendes Geschäft. Es geht um vernünftige innerörtliche Steuerung & Entwicklung unter der Prämisse Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt davon, wir werden Änderungen herbeiführen müssen, wenn wir mit der Klimaproblematik umgehen. Es wird noch viele heisse Diskussionen geben. Aber vielleicht wird am Ende sogar ihr Traum vom Bioladen um die Ecke wahr.
Wie auch immer: Ein Einkaufsmarkt innerorts darf kleiner dimensioniert sein und benötigt weniger Parkplatz. Die Vorteile aus Sicht der Nachhaltigkeit sind schwer zu widerlegen.
Netto Befürworter · 18. Januar 2021 um 15:45
Hallo Nabu,
Warum wurde damals das Hochregallager für Intersnack verboten? Bestimmt nicht zur Liebe der Umwelt… Es ist ja einfacher um die 70x von Alsbach nach Worms fahren zu lassen.
Warum darf der seine Fläche fast verdoppeln? Alles nicht so schlimm gell?
Auch in Alsbach das neue Baugebiet, nur scheiß Acker mit Folientunnel… omg wir zerstören die vorhandene Natur…
Ein Laden in der Ortsmitte na klar, wenn ich hinten an der Neue Schule wohne und nicht mehr mobil bin schaffe ich es dort genauso wenig hin wie zur Feuerwehr…
ihr habt nicht ein festes Argument das nicht zerschlagen werden könnte…